Es geht also heute um diese Integration Bayerns, die Staatsintegration, die wie Sie wissen ja
nicht so ganz geräuschlos verlief und auch bis heute noch nicht ganz geräuschlos verläuft
und deshalb der Titel eben die Probleme einer Zwangs-Ehe Franken die Braut und Bayern der
Freudigern. Der Weg also meine Damen und Herren Frankens nach Bayern steht wenn man
es wissenschaftlich sieht am Schnittpunkt vieler Perspektiven. Gleichwohl darf unser
Thema Integration trotz unbestreitbarer Zentralität und administrativer Verdichtungserfolge nicht
unbedingt überstrapaziert werden. Regionale Zuordnung bleibt nämlich wichtig gerade auch
wenn es um den Fortschritt, um den zivilisatorischen Fortschritt geht. So darf man sich meine Damen
und Herren berechtigt fragen ob die folgende Notiz für Zell am Ebersberg aus dem fränkischen
Landgericht Elkman im Jahre 1861 fränkisch oder bayerisch zu deuten ist. Wir erfahren
durch den örtlichen Gerichtsarzt der die seit König Maximilian dem zweiten also zweite
Hälfte 19. Jahrhundert eingeforderten medizinischen Ausbildungsstandards längst erfüllte, dass
die Einwohner von Zell aufgrund ihrer ich zitiere wendischen ja bisweilen unreinlichen Herkunft
bisher meist so der Autor im Kot mitten in ihrem Dorf versanken. Jetzt aber in bayerischer
Zeit spazieren sie auf fest schossierten Wegen und ebenso sei die Zahl der Kröpfe wegen
der gestiegenen Lebensqualität also in bayerischer Zeit im abnehmen und die Zeller der mancher
noch keine Gabeln zum Essen kennt so der Gerichtsarzt erheben sich jetzt im 19. Jahrhundert sichtlich
in Geisteskraft. In anderen Teilen Frankens hatte man sich offenbar aber noch nicht mit
der Nivellierung regionaler Lebensumstände im großen Königreich vertraut gemacht. Im
unterfränkischen Landgericht Hofheim etwa zählte so der Gerichtsarzt ganz nahe der thüringischen
Grenze noch einige dort zählte man noch einige sogenannte Spiegelfranken. Diese Spezies meine
Damen und Herren war keineswegs in der frühindustriell organisierten Spiegelfabrikation unweit von
Erlangen nämlich in Fürth tätig die zunächst Jahr wie wir wissen vom größeren bayerischen
Innenmarkt profitierte. Nein, ihr Name bezog sich vielmehr auf jene die in Armut und ländlicher
Unsitte Mund und Nase stets mit dem Ärmel wischen und daher ihren Spiegel immer am Arme
tragen. Vertiefen wir diese Impressionen am Thema des Herrschaftswechsels regionaler
Identifikation und der bayerischen Reformära. Zu Beginn also des 19. Jahrhunderts wurde
die fränkische Landkarte wie die auch Schwabens natürlich auf den Kopf gestellt. Das Tempo
des Herrschaftswechsels war atemberaubend und die Ziellinien waren zunächst nicht überall
klar zu sehen. Zunächst sind der Zeitpunkt der bayerischen Werdung und die Fortdauer
konkurrierender alternativer Herrschaftsmodelle keineswegs sehr großräumig zu lösen. Dies
traf auch auf andere Regionen Bayerns aber insbesondere für Franken zu. Betrachten wir
diese Umwälzungen so sieht man schon mit einem Blick auf die Landkarte das es hier um einen
sehr raschen Fortschritt ging. 1803 also der Einstieg wo nun schon die ersten Buchstifte
Bamberg ein kleiner Teil Eichstätts und Würzburg an Bayern fielen. Dann der zweite Schnitt
nach dem Frieden von Pressburg mit der rheinischen Bundesakte hier dann schon zahlreiche weltliche
Herrschaften eben dann im Jahr 1808 eben auch in größeren Bayern. 1810 bis 1819 kann man
dann die Vergrößerung die atemberaubende Vergrößerung hier ablesen mit eben den Einteilungen
auch der neuen Kreise und schließlich der Blick auf Franken hier insbesondere zeigt
also die Erwerbungen dann der Jahre 1802 folgende bis zum Stichjahr 1819. In Franken mussten
Bauern und Bürger nach dem Jahr 1791 92 als mit dem Einzug Karl August Freiherrn von Hardenbergs
seines Zeichen preußischer Kabinettsminister mit weiterreichenden politischen Vollmachten
ausgestattet zuerst nun um Ansbach und Bayreuth die Zeit der Grenzbeseitigung der sogenannten
Purifikationen eingesetzt hatte. Hier begann nun jener Identität störende Vorgang der
Mediatisierung und der Sekularisation in kurzen Abständen. Manche durchlebten diese Phase
sogar zwei bis drei Mal. Für die am Südosten des Alten Hochstifts Würzburg gelegene lange
mittelfränkische nunmehr unterfränkische Landstadt Iphofen brachte etwa der Übergang
vom Alten Reich zum Königreich Bayern nicht nur den Verlust der alten herzöglichen Zentgerichte
und die Auflösung der Stifts- und Kapitelskanzlei mit sich. Für die Bewohner dieser Winzerstadt
beklagte man ein hohes Maß an Orientierungslosigkeit als Folge eines ständigen Herrschaftswechsels.
Presenters
Prof. Dr. Wolfgang Wüst
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:29:37 Min
Aufnahmedatum
2007-01-25
Hochgeladen am
2017-07-06 14:20:18
Sprache
de-DE
Der Weg Frankens nach Bayern steht am Schnittpunkt mehrerer neuerer Forschungsperspektiven. Eine kulturwissenschaftlich ausgelegte regionale Identitätssuche vor Ort, Akkulturation und die in gesellschaftswissenschaftliche Netzwerksysteme eingebundene nation-building sind die Themen. Sie kündigen in Sachen neubayerischer Gemüts- und Stimmungslagen mit den Variablen politischer Integration wie regionaler Separation oder den von sozialanthropologischen Fragen begleiteten Mentalitäts- und Milieurecherchen neue Wege an. Dabei darf das Integrationsthema trotz unbestreitbarer Zentralisierungs- und administrativer Verdichtungserfolge in der Reformära des 19. Jahrhunderts nicht überstrapaziert werden. Regionale Zuordnung bleibt wichtig, gerade wenn es auch um zivilisatorischen Fortschritt geht. So darf man sich berechtigt fragen, ob folgende Notiz für das unterfränkische Pfarrdorf Zell am Ebersberg aus dem Landgericht Eltmann im Jahr 1861 bayerisch oder fränkisch zu deuten ist.